Tobias Harmes
31. März 2023

SAP-Disruptor | Perspektive SAP IT – März 2023

Geplante Zufälle sorgen in Computerspielen dafür, dass die Handlung nicht langweilig wird. Die SAP scheint von diesem Gamedesign-Prinzip inspiriert worden zu sein, wenn es um die Planungssicherheit von ihren Services geht. Auf den DSAG-Technologietagen hagelte es deshalb Kritik. Nicht immer zielgenau.

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Editorial

Kurz nachdem ich neulich von meinem Sohn beim Mario Kart besiegt worden bin, habe ich einen Artikel zum Thema Zufall in Computerspielen gelesen. Dort wird genau meine Erfahrung beschrieben: Mein Sieg war sicher – bis mein Sohn ausgerechnet einen roten Schildkrötenpanzer bekommen hat und mich damit in der letzten Runde zerlegen konnte. Und ich erfahre in dem Artikel der Technology Review, dass dieser Zufall sehr bewusst einprogrammiert ist.

Spieler als Agenten des Chaos

Denn genau diese zufälligen Ereignisse machen den Erfolg von Videospielen aus. Sie sorgen für Momente, an die man sich erinnert. Während man den Zufall in der realen Welt eher vermeiden möchte, sorgt er in Videospielen für das Salz in der Suppe, denn der jeweilige Spiellauf wird damit einmalig. Und deshalb sind praktisch alle Videospiele heute auch komplexe Integrationsszenarien, die mehr oder weniger die Balance zwischen einer Nachbildung eines Physiksystems und dem „zufälligen“ Überraschungsmoment halten müssen.
Hierbei wird in großen Titeln auch der Spieler selbst mitverwendet – er dient als Disruptor. So schreckt in einer offenen Spielwelt zum Beispiel ein Spieler ein Reh auf, das auf die Straße läuft und dafür sorgt, dass ein vom Computer gesteuerter Spieler ausweicht und von der Straße abkommt. Der Spieler als perfekter Agent des Chaos, in dem das Quest-absolvieren so keine langweilige Schufterei ist, sondern denkwürdige Momente erzeugt.

Lebensdauer von Services und Wartungsende ECC in der Kritik

So einen denkwürdigen Moment hat der eine oder andere SAP-Kunde in den letzten Jahren auch gehabt, wenn SAP sein Produktportfolio mal wieder umgeräumt und Dienste kalt gestellt hat. Auf den diesjährigen DSAG-Technologietagen in Mannheim war das dann auch einer der Kritikpunkte an die SAP. Es mangele den Kunden an Planungssicherheit: Produkte und Services würden gekündigt, teilweise mit kurzer Vorlaufzeit und ohne, dass ein adäquates Folgeprodukt verfügbar ist. Insbesondere die Adobe Document Services und der Solution Manager erzeugen bei nicht wenigen gerade unerwünschte denkwürdige Momente.

SAP CTO Jürgen Müller signalisiert in seiner Keynote an das Publikum bezüglich Adobe Document Services noch Gesprächsbereitschaft, lässt aber bei einer Deadline keine Missverständnisse aufkommen: Wer nach 2027 noch ECC weiter nutzen will, muss in die Extended Maintenance. SAP könne allein schon aus rechtlichen Gründen nichts an diesem Zeitpunkt machen.

Frust von Early-Adopter und Wutberg von On-Premise-Bewahrern

Ich habe mit vielen Teilnehmern der DSAG-Technologietage über den Frust gesprochen, den die Abkündigung von eingeführten Services auch gegenüber internen Stakeholdern wie dem Fachbereich erzeugt. Da wurde über Neo vs. Cloud Foundry noch viel häufiger gesprochen als über Adobe und den Solman. Das kann ich an sich gut verstehen, insbesondere wenn sich plötzlich Zusatzkosten bei weniger Funktionalität ergeben. Doch manche Argumente ließen mich auch an die Metapher des Wutbergs beim Change Management denken. Der Berg, über den alle rüber müssen, wenn man etwas Gewohntes hinter sich lassen muss.

Die SAP befindet sich im Zielkonflikt: Es darf die On-Premise-Kunden nicht verprellen und es muss als Unternehmen mit seiner Software mit maximaler Geschwindigkeit in die Cloud, um wettbewerbsfähig zu sein. Wer heute ein Unternehmen gründet, der hat kein Rechenzentrum. Und es ist naiv anzunehmen, dass beim Unternehmens-Wachstum dann plötzlich doch Server selbst betrieben werden. Wenn SAP also keine attraktive und innovative Cloud-ERP-Umgebung schafft, ist 2040 eine Wartungszusage für eine aussterbende Software. Und dafür muss SAP auch Services agiler anbieten und wieder einstampfen dürfen, als man es bisher On-Premise gewohnt gewesen ist.

SAP, bitte am Balancing arbeiten

Ich weiß, bei der täglichen IT-Administration reichen eigentlich schon die User als Agenten des Chaos, damit kein Tag wie der andere ist. Die von SAP-seiten herbeigeführte Disruptionen auf dem Weg in die Cloud und die damit verbundenen „Quests“ für SAP-Kunden sind meines Erachtens der Preis, der letztendlich die Investition in die Lösung langfristig sichert. Das ist allerdings keine Ausrede für SAP, nicht noch mal am Balancing zugunsten der Early-Adopter-Kunden zu arbeiten. Denn ansonsten zementiert SAP bei Kunden vor allem ein Verhalten: erst einmal abwarten.

Viele Grüße
Tobias Harmes

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